Von Hinterriss Eng zur Falkenhütte – eine schöne, kurze und super leichte Wanderung. Perfekt für Tage, an denen man sich freut, überhaupt unterwegs sein zu können. Ein Besuch (kurz vor der renovierungsbedingten Schließung) ohne Einkehr, der sich trotzdem gelohnt hat…
Tour – Check. Wetter – Passt. Fit – nicht ganz, Erkältung im Anmarsch. Aber gerade dann tut mir leichte Bewegung (im Wald) gut und macht die Nase frei. Und bergauf schnaufen ist auch im Schneckentempo möglich. Unbedingt wollte ich letzte Woche Freitag noch ins Karwendel, um mir die 1922 erbaute, denkmalgeschützte Falkenhütte (1848m) in ihrer ursprünglichen Form und vor der großen Renovierung (die bis 2020 dauern wird) anschauen. Plan steht. Und dann kommt es doch anders…
Donnerstag Abend, aus der Apotheke noch ein pflanzliches Medikament mitgenommen, welches Linderung für meinen leicht angeschlagenen Gesamtzustand bringen soll. Inhalt: hochkonzentrierter Extrakt aus gelber Enzianwurzel, Schlüsselblumen, Holunder, Ampfer und Eisenkraut. Hört sich für mich nach einer guten Mischung an. Hat mir aber die anstrengendste Nacht seit langem beschert… Resultat: die schlimmsten aller aufgeführten Nebenwirkungen. 1,5 Stunden nach Einnahme der ersten Tablette wurde ein besonderes und bitteres Entertainmentprogramm aufgefahren. Ich erspare die Details. Nur soviel: der Untertitel zur Tour: „Im Karwendel kotzt es sich schöner“ ist nicht aus der Luft gegriffen… Ein wenig Schlaf gab es erst ab 5 Uhr morgens und nach Einnahme von Notfall-Vomex und einer ordentlichen Ladung Elotrans.
Die Tour hatte ich nachts fast abgeschrieben. In dem Zustand bewegt man sich überhaupt nirgends wo hin. Morgens um 9, nach ein paar Stunden Schlaf, sieht das ganze allerdings schon wieder anders aus. Vormachen muss ich mir aber auch nichts – mein Zustand ist mies. Zittrige Knie, fertig, schwach – aber immerhin ist mir nicht mehr so extrem schlecht. An Essen ist zwar nicht zu denken, bin schon froh wieder was trinken zu können. Geh ich oder geh ich nicht. Insgeheim weiß ich es schon, nur ob mein Körper mitmacht… ein Deal muss her. Mit mir selbst. Einfach mal schauen, was geht. Rucksack gepackt und ab ins Auto. Die Tour ist ja zum Glück wirklich einfach. Von München aus über Tölz am Sylvensteinstausee vorbei nach Hinterriss in Tirol. Wer braucht da bitte Kanada? Allen Ernstes – eine wunderschöne Gegend. Bei der Mautstelle ein freundliches Griaß di, Ticket für 4,50 Euro und samt Panoramakarte weiter zum Talschluss nach Eng.
Parkplatz beim Alpengasthaus Eng auf 1230m – überfüllt aber kostenlos. Der Blick: unbezahlbar. Sonne satt, das Licht schon leicht golden und das Grün weicht dem Herbst. Das entschädigt mich direkt und macht die Nacht fast vergessen. Meine Trailschuhe geschnürt, am Almdorf der Eng Alm vorbei und dann wartet auch der erste Aufstieg. Angeschrieben ist die Tour zur Falkenhütte mit 2,5 Stunden. Knapp 600 hm – da lach ich sonst drüber. Heute für mich in der angeschriebenen Zeit sicher nicht machbar. Was aber auch egal ist – hochlaufen kann ich beim nächsten Mal immer noch 😉
Zwischen Hunderten von Kühen und Kälbern geht’s erst über einen Schotter-Spazierweg hoch in den Wald – mittlere Steigung, die mich in dem lädierten Zustand aber schon extrem fordert. Ich bin langsam, brutal langsam und versuche, den Puls so niedrig wie möglich zu halten. Trotzdem muss ich alle 10-20 Minuten stehen bleiben. Die Sonne brennt doch – kein Wunder, sie steht jetzt am höchsten. Ein Schritt vor den anderen – kleine Schlucke trinken, Nase putzen… läuft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Vorteil von dem Hochschleichen: Hirsch und Gemsen erspäht. Die kurzen, steileren Bergauf-Passagen gehen heute ganz schön an meinen Akku. Aber: ich fühle mich viel besser. Trotzdem ist klar, den Rückweg muss ich auch noch einplanen und bergab ist nicht minder anstrengend.

Oberhalb der Baumgrenze angekommen, frischt der Wind angenehm auf. Vorbei an kleineren Wasserfällen und Bächen geht es zum Hohljoch (1794m), einem Sattel, von dem die Falkenhütte in greifbare Nähe rückt. Zwischen mir und ihr liegt noch ein Ab- und ein Aufstieg. Die vielen kleinen Pausen haben mein Zeitkonto ganz schön aufgestockt. Ich bin jetzt schon 2,5 Stunden unterwegs. Und zur Hütte realistisch nochmal mindestens eine halbe, dreiviertel Stunde. Kälbchen-Streichelpause und Überlegen ist angesagt. Neben mir erheben sich die gewaltigen Laliderer Wände, vor mir der Mahnkopf (2094m). Klar könnte ich noch bis zur Hütte gehen, dort eine längere Pause einlegen, versuchen eine Fritattensuppe zu essen. Kraft tanken. Und danach langsam absteigen. Stirnlampe wäre sowieso dabei falls es dunkel werden sollte. Andererseits reicht es für heute auch. Bis hierher war es anstrengend und fordernd genug. Am Berg ist eine realistische Einschätzung der Situation und auch der eigenen Möglichkeiten die Lebensversicherung.

Zum Glück rennt mir das Karwendel und auch die Tour zur Hütte nicht weg – und ganz ehrlich, ich bin sicher nicht zum letzten Mal hier gewesen. Gamsjoch (2452m), Lamsenjochhütte und Lamsenspitze (2508m) – lachen mich heute alle an. I´ll be back. Unten auf der Eng Alm, 1,5 Stunden später, taucht der Löffel in eine gscheide Kraftsuppn mit Fritatten und frischem Schnittlauch… guade Entscheidung!

Mehr Infos zum Umbau der Falkenhütte gibts HIER!
Warum ich diese Tour trotzdem hier am Blog poste? Weil es eben nicht immer darum geht, Ziele zu erreichen. Sondern manchmal auch darum, es einfach nur zu versuchen… und sich nicht dauernd Druck zu machen, jede Planung perfekt umzusetzen
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