Keine Gnade für die Wade heisst es, wenn der höchste Gipfel Österreichs, der Grossglockner, zum Berglauf ruft. Knapp 13 Kilometer und 1.494 Höhenmeter müssen dabei überwunden werden. Für welchen guten Zweck ich freiwillig an meine Grenzen gehe und von Heiligenblut (1247m) zur Kaiser-Franz-Josef-Höhe (2370m) bergauf schnaufe…
Eins vorweg, nein – ich habe nicht trainiert für diesen anspruchsvollen Lauf und das mag manche irritieren. Ja, es ist mir bewusst, dass es einer der härtesten in Europa ist und habe trotzdem keine Bedenken. Und nein, es zwingt mich keiner und die Bestzeit wird es sicher auch nicht werden. Die ist nämlich völlig egal. Es geht hier nämlich nicht nur darum, an meine eigenen Grenzen zu gehen, sondern mit meinem Lauf etwas Gutes zu tun.
Auf Einladung von Viking Footwear komme ich nicht nur in den Genuss, den leichten Apex II GTX Trailrunning-Schuh zu testen und die Neuheiten für den kommenden Sommer zu sondieren. Mit meiner Teilnahme am Mythos Grossglockner Berglauf wird Outdoor Against Cancer unterstützt. Und genau deswegen ist es für mich keine Frage, selbst an den Start zu gehen – es ist mir eine Ehre. Diese wunderbare, non-profit-Organisation von Petra Thaller setzt sich für Sport als Therapie-Maßnahme ein und bietet Krebspatienten die Möglichkeit, bereits während der Therapie Sport zu treiben und damit die Nebenwirkungen zu verringern. Die Regeneration nach der Erkrankung wird mit der Prävention vor Krebserkrankungen verbunden.
Sport gegen Krebs – Outdoor against Cancer
Beim Grossglockner Berglauf geht auch eine OaC-Staffel aus 7 Krebspatienten an den Start. Für meinen Lauf gehen 5 Euro an die Stiftung. Und für jeden, der sich vorab am Viking Stand eines der speziellen Stirnbänder abholt, es im Ziel sichtbar trägt und den Buzzer auslöst, wird dieser Betrag gespendet. Am Ende werden es 450 Menschen sein, die für den guten Zweck geschwitzt haben.
Die Fahrt nach Heiligenblut hätte dramatischer nicht sein können. Die Grossglockner Hochalpenstrasse komplett vom Nebel verschluckt, langsam über die Serpentinen vorwärts tasten statt fahren mit Aussischt. Von 24 auf 4 Grad. Nach dem Hochtor auf 2504m, der Grenze zwischen Salzburger Land und Kärnten besserte sich das Wetter endlich, die ersten Gipfel wurden sichtbar. Abends wurde der erste Abschnitt der Strecke – mit einer der steilsten 2km – in Augenschein genommen und mit einer Grillerei auf der Sattelalm belohnt. Das kann ja heiter werden. Dafür sind die neuen Trailschuhe wirklich bequem, der Grip passt.
Steinböcke, Murmeltiere und fette Schneeflocken
Samstags stand ein Besuch beim König der Alpen im Nationalpark Hohe Tauern auf dem Plan – beim Grossglockner war keine Audienz zu bekommen. Statt dessen begrüssten Nebel, dicke Schneeflocken (ja, Schnee im Juli) und Windböen auf der Kaiser Franz Josefs Höhe – gleichzeitig Ziel des Berglaufs. Von Steinböcken oder Murmeltieren erstmal keine Spur. Aber wer Geduld mitbringt, wird am Ende immer belohnt. Und in der Zwischenzeit kümmert sich Nationalparkranger Gerald in der diamantförmigen Swarowski-Warte um eine kleine Wissensauffrischung zum Thema Grossglockner, Erstbesteigungen, dem traurigen Gletscher-Rückgang an der Pasterze und der hochalpinen Tierwelt. Super interessant und kurzweilig. Das Wetter bessert sich nicht wirklich, aber ein fettes Murmel und beim Abstieg zur Knapp Casa Hütte (Tipp: Kaspressknödelsuppe essen!) dann wenigstens noch einige Steinböcke dank Feldstecher bei deren Mittagessen gesehen. Und dazu Teile der morgigen Laufstrecke. Der Stufen-Schlusspart von der Pasterze zur KFJH ins Ziel wird eine Herausforderung…
Mythos Grossglockner – der Berg ruft!
Leichte Nervösität macht sich breit. Ab 7 stehe ich fast im Bett, deswegen direkt mal raus auf den Balkon und das Wetter checken. Es sieht gut aus – zwischen den Wolken ein Anflug von blauem Himmel. Aber es ist ganz schön frisch. 6 Grad. Der Lauf-Rucksack wird mit einem Liter Wasser, Windjacke, Rettungsdecke, Handschuhen und Mütze präpariert. Sicher ist sicher. Wenn bei diesem hochalpinen Lauf das Wetter dreht, bin ich lieber vorbereitet. Statt kurzer Shorts bleibe ich bei meiner langen Lauftight, die sich ja auch unterhalb des Knie’s krempeln lässt. Dazu mein Lieblings-Longsleeve von Peak Performance, dass mich schon beim Koasamarsch nicht im Stich gelassen hat. Leicht genug, wenn die Sonne brennt, warm genug wenn auf 2000m Wind aufkommt. Für den Lauf wähle ich aber doch meine eingetragenen Dynafit Feline GTX und gehe somit auf Nummer Sicher – mehr Halt für die Ferse ist in diesem Terrain für mich extrem wichtig. Die letzten Tipps werden von anderen Läufern eingeholt. Nur nicht zu schnell starten (das wird sicher kein Problem) und die steilen Stücke gehen (sowieso). Fact: nur 8-10 Läufer der insgesamt 1500 werden die komplette Strecke durchlaufen.
Punkt 10 Uhr ist es soweit. Der letzte Startblock (in dem ich stehe) darf auch auf die Strecke. Die ersten 3 Kilometer auf der Strasse – langsam aber stetig nach oben Richtung Kräuterwand, wo im Wald der steile 2 km Abschnitt wartet. Ich hasse laufen auf Asphalt. Die Sonne brennt. Ich bin froh, Wasser dabei zu haben, meine Beine sind schwer – super langsam. Hätte ich doch ein paar Laufeinheiten vorab eingeschoben. Aber alleine der Gedanke, dass es nur dieses kurze Stück auf der Strasse ist, lässt mich bergauf durchziehen – und ja, auch hier bin ich zwischendurch gegangen. Und war damit schneller als so mancher langsame Läufer. Endlich im Wald. Die angenehm Kühle macht das anstrengende Bergauf schnaufen erträglicher. Es geht gut und zügig voran, zur Belohnung wartet die erste Labestation auf der Sattelalm (1646m). Die ersten 600 Höhenmeter sind somit abgehakt.
Steil is Geil. Sagt man. Berggehn statt Berglauf
Danach geht es neben saftigen Wiesen über schöne Trails in Richtung eines donnernden Wasserfalls, wo das nächste steile Stück wartet: ein zum Teil seilversicherter Steig, der sich stetig nach oben schraubt. Geh leck, da werden Erinnerungen an den Musikantensteig am Zahmen Kaiser wach. Stöcke wären jetzt enorm hilfreich, sind aber aus Sicherheitsgründen beim Mythos Grossglockner verboten. Die nächsten zwei anstrengenden Kilometer schnellt mein Puls nach oben, das Herz gefühlt im Hals bis die Labestation auf der Trogalm auf 1874m erreicht ist. Weitere 230 Höhenmeter. Die Anfeuerung auf der Strecke samt Kuhglocken funktioniert und lässt die letzten paar Meter leichter werden. Die steilsten Abschnitte sind vorbei. Sagt man mir, als ich zwei Energydrinks hintereinander in mich reinschütte – in der Hoffnung, dass sich ein Turbo zündet. Das angebotene Weißbier der Jungs wäre sicher auch keine schlechte Option… Klar wartet nach einem kurzen Verschnauf-Bergab-Lauf nochmals ein steiles Stück, bevor es endlich etwas gemässigter auf gewaltig lässigen Trails mit Blick auf die gegenüberliegende Hochalpenstrasse weitergeht. Ja, schauen und geniessen geht auch noch! Ich fühle mich gut, die Wadln sind noch mit Freude dabei – es läuft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es läuft sich gut. Und macht richtig Spass. Aber zuviel schauen ist bei dieser Strecke nicht drin und lässt mich fast den feuchten Boden küssen… Konzentration, weiter geht’s.
Bergseensucht – Grossglockner im Blick erquickt
Und dann erscheint seine Majestät, der Glocki, im Hintergrund. Ohne Wolkenkrone. Unten glitzert der Margaritzen Stausee, der von der Pasterze gespeist wird. Dieses Stück des Berglaufs ist mit das schönste. Ich muss kurz stehen bleiben, Foto. Weiter bergab, wo die dritte Labestation schon in Sichtweite kommt. Station 3 auf 2005m bei Kilometer 9. Das Ziel rückt näher. Aber erst wird auf dem Weg zur letzten Verpflegung etwas über Felsen gekraxelt, immer weiter bergauf gestiegen, eine schwingende Hängebrücke über den Pasterzen-Abfluss überquert und zwischendrin durch eiskalte Gletschermilch gerannt – zur Wadl-Erfrischung. Goretex sei Dank bleiben die Füsse trotzdem trocken. Warm ist es nicht gerade – bin ich froh, langärmlig unterwegs zu sein. Der Wind ist ganz schön frisch hier oben. Anfeuerung aus dem Zielbereich und der Geruch von Bratwürsteln – oder ist das eine Gletschermorgana?
Endspurt – Bratwürstel, Treppensteigen und Muskelkrämpfe
Station 4 bei knapp 12 Kilometern, auf 2120m. Entweder ich Halluziniere oder ich rieche wirklich Bratwürstel. Neben Energydrinks steht tatsächlich einer am Grill… Im Hinblick auf die kommenden 500+ Treppen auf dem Weg hoch zur Kaiser Franz Josefs Höhe schnappe ich mir noch einen Becher Energy. Mein Liter Wasservorrat im Rucksack neigt sich auch dem Ende. Jetzt heisst es Durchziehen. Es sind „nur“ noch 930m und 250hm bis zum Ziel. Nach den ersten 50 Treppen wird mir schlecht – dass Energy-Zeugs und mein Magen sind keine Freunde. Hätte ich nur die Wurst genommen. Egal, Schritt für Schritt nach oben. Vor mir fällt ein 2 Meter Typ in sich zusammen – vor lauter Krämpfen kann er nicht mehr weiter. Und fängt zu weinen an. Nix geht mehr. Viel mehr als eine kurze Aufmunterung kann ich aber leider auch nicht beisteuern. Mein Fokus liegt schon oben im Ziel. Keine Gnade für die Wade. Spätestens jetzt wird das Motto wahr. Meine Wadln spielen noch brav mit, zwicken nicht aber brennen auch. Kein Krampf sondern Kampfmodus. Augen zu und durch. Treppen geschafft, ein kurzes gerades Stück – Holztreppe hoch zur Strasse und 100 Meter Asphalt – der Sprint fällt nicht mehr ganz so schnell aus. Aber die Euphorie ist gigantisch – ich knalle mit beiden Händen fest auf den Spenden-Buzzer und springe ins Ziel. Nach 2 Stunden und 50 Minuten.
Und ja, die Augen sind wässrig. Nicht wegen meiner eigene Leistung, sondern weil ich die OaC-Staffel sehe und die Freude in ihren Gesichtern, diesen Berglauf im Team gemeistert zu haben. Trotz Anstrengung hat es mir wahnsinnig Spass gemacht. Okay – ich bin doch STOLZ, spätestens in dem Moment als mir nach einer wärmenden Decke die Medaille umgehängt wird… am liebsten würde ich die beiden Mädels umarmen. Wie ferngesteuert gehe ich erstmal weiter, bis zum Ende der Terasse und lasse mich dann auf den Boden sinken. Tief durchatmen und dankbar sein. Keine Gnade für die Wade #runsteepgethigh

Danke an Flach Communications und Viking Footwear für die Einladung zu dieser wunderbaren Charity-Aktion beim Mythos Grossglockner Berglauf! Und Applaus an alle freiwilligen Helfer, der Bergrettung und all die netten Anfeurer auf der Strecke – ihr habt dieses Event durch euren Einsatz zu etwas ganz besonderen gemacht!
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