Am Spitzingsee gibt es durchaus Touren, die mein Herz höher schlagen lassen. Mit dem richtigen Timing an einem Feiertag auch abseits der Massen – über den Jägerkamp auf die markante Aiplspitz in der Rotwandgruppe!
Ja, an Feiertagen bei guten Wetter ist das Berg gehn nicht schlau. Für mich zumindest. Ich weiche den „wandernden Massen“ gerne so gut wie möglich aus. Und damit meine ich alle, die bei Schönwetter „unbedingt mal auf die Alm / einen Gipfel zum hart chillen“ wollen. Oder ein paar Shots für Insta… Ist ja jetzt IN und so. Sei ihnen gegönnt, aber bitte nervt mich dabei nicht mit eurem lauten Rumgeprolle. Obwohl: manche Vertreter heben wenigstens die Laune direkt – entweder total Overequipped (das kleinere Übel) oder Straight from the Stage (Punkto: maßlose Selbstüberschätzung trotz fehlender Ausrüstung). Manche in nagelneuen weissen Sneakern – natürlich ohne Profil. Top für jede Gatsch-Schlacht. Not. Mehr sag ich jetzt nicht.
Am Dienstag konnte ich aber nicht anders – Sonne, ein Hauch frischer Schnee und dazu die Aussicht auf eine Tour, die eventuell dank der eisigen Bedingungen nicht allzu viele anzieht. Ein paar Höhenmeter inhalieren. Das viele sicher zum Tegernsee / Schliersee / Spitzingsee unterwegs sind, war zu erwarten. Ist ja auch schön in den Bayerischen Voralpen. Aber der typische Stau hin und retour? Also entweder ganz früh fahren oder erst gegen mittag in München wegfahren. Meine Entscheidung: gegen halb 12 in München ins Auto schwingen. Am Spitzing war ich schon lange nicht mehr unterwegs – im Januar im Taubensteingebiet zum Tourengehen (alles zur Polarpeitschentour – hier nachlesen!).

Gestartet wird nicht vom Spitzingsattel, wo es natürlich weit und breit sowieso keine Parkplätze mehr gibt – und für 5 Euro würde ich mich da auch nicht hinstellen! Rund 1200hm im Aufstieg warten. Der Weg Nr. 642 führt von der Spitzingstrasse ein kurzes Stück auf einer Forststrasse und danach durch den Wald nach oben. Wo genau? Erkennbar an ein paar seitlichen Parkplätzen (kostenlos) auf der linken Seite. Zum Aufstieg (kurz vor 1300) muss man nicht viel sagen – ein einfacher, schöner Waldweg, der sich nach oben windet. Je weiter man nach oben steigt, desto kälter wird es. Leicht angezuckert, frostige Blumen und darunter die ein oder andere Eisplatte. Zwischendrin blitzt der Schliersee immer mal wieder durch die Bäume. Oben bei der Jägerbauernalm angekommen, ist der Jägerkamp (1746m) schon fast greifbar. Vor der Alm wähle ich den direkten Weg, steil nach oben in Richtung Latschen. Mein bandagiertes Sprungelenk meldet sich, ich schalte einen Gang zurück. Weiter zum Gipfel – eisige Passagen nehmen das Tempo direkt raus. Zeit zum Schauen – hinter einem der Schliersee, zur linken winkt schon die Aiplspitz – die zweite markante Pyramide neben der Brecherspitze (1683m) auf der rechten Seite. Bisher sind mir genau 5 Leute begegnet. Ganz gut für einen Feiertag…
Es ist auch echt gut, dass ich hier vorsichtig unterwegs bin. Und langsamer. Denn oben am Gipfel ist gerade eine ganze Wander-Mannschaft beim pausieren. Und singen. Und Schnaps trinken. Zum Glück laden die Temperaturen nicht wirklich zum ausgiebigen Pausieren ein, der eisige Wind beisst trotz Sonne ganz schön. Ein Pärchen um die 60 kommt mir entgegen – meinen, sie sind „vor dem Rambazamba“ geflüchtet. Ich grinse und habe Glück, während der letzten Schritte bergauf, zieht es die Gruppe lautstark zur Schönfeldalm zurück. Bei den Jodelversuchen entkommt sogar mir ein lautes Lachen…

Es ist jetzt kurz nach zwei – der Jägerkamp leer. Das Kreuz vereist. Kurze Pause… auch um Abstand zu der Gruppe zu bekommen, die sich gerade auf der Vorderseite nach unten schiebt. Dicke Jacke an. Das ist auch mein Weg rüber zum Tanzeck, wo dann der Weg Richtung Aiplspitz abzweigt. Länger als 10 Minuten ist für mich keine Option, um nicht auszukühlen. Also Jacke wieder aus, Rucksack auf – Abmarsch. Es mischen sich eisige Stellen mit gatschigen – da hat die Sonne plus die Vorgänger ganze Arbeit geleistet. Nach dem Tanzeck kurz bergab um über eine Kuppe zur letzten Passage vor dem Steig zum Westgrad zu kommen. Dieser ist per Schild gekennzeichnet: Alpine Erfahrung und Trittsicherheit notwendig! Die erste, seilversicherte Stelle macht heute Sinn – die paar ausgesetzten Meter im Schatten sind fast spiegelglatt. Ein Ausrutschen kann und will ich mir nicht leisten. Wo die Sonne dann wieder auf den Fels trifft, wird es direkt besser. Die restliche, ca. 300 Meter lange Gratwanderung ist machbar, die eigentlich einfachen Kletter-Stellen rutschen allerdings eine Schwierigkeitsstufe nach oben. Kurz wären Steigeisen fein. Die einzige Steilstufe (UIAA I) ist aber trocken.
Oben angekommen: das Gipfelkreuz eher unspektakulär – das Panorama umso mehr… schnell dick einpacken, um es geniessen zu können. Vom Wendelstein angefangen, die Chiemgauer Alpen, der Wilde Kaiser, die Tuxer Gletscher, das Karwendel,.. Diese Ruhe (bis auf die Windböen), keiner da. Einfach geniessen. Ganz alleine.

Willkommene Abwechslung nach 20 Minuten, als ich mich gerade windbedingt wieder zum Abstieg fertig mache. Jemand schnauft über den Nordgrat (von Geitau aus) hoch und ist mehr als froh, endlich am Gipfel zu sein. Blockkletterei bei vereisten Stellen ist nicht lässig – sein einziges Fazit… wir reden über unsere Routen und den Abstieg. Er hat den Jägerkamp noch vor sich. Seine Tour behalte ich mal für nächstes Jahr im Hinterkopf… Auch für den Retourweg muss der Westgrat herhalten, dann halte ich mich aber links statt rechts zum Tanzeck zurück zu gehen.
Beim Abstieg zur Schnittlauchmoosalm ist es kurz vor halb vier, die Sonne tief – keiner mehr unterwegs. Ausser 2 Gemsen, deren Date ich scheinbar gecrasht hab. Sie starren mich neugierig an um mich dann mit Respektsabstand nach oben hin zu passieren. Das erste Mal, dass ich im Taubensteingebiet auch nur irgend ein Tier gesehen hab! Für solche Momente bin ich draussen unterwegs… Keine Ahnung, wie lange ich da gestanden und den zwei zugeschaut hab.
Der weitere Abstieg unterhalb des Wilden Fräuleins (1615m) ist nicht so fein. Der Dreck macht mir nix aus aber rutschen ist nicht so super. An der Schönfeldalm (wo weitergejodelt und geschnapslt wird) vorbei zur Lochgrabenschneid, wo gegenüber gerade die Sonne versinkt. Pause.
Das letzte Stück führt dann durch den Wald (Nr. 642) zum Spitzingsattel. Schlecht zu gehen. Wär ich zur Taubensteinbahn abgestiegen und auf der Strasse retour, wäre ich sicher schneller gewesen als mich hier nach unten zu tasten. Trotz Stirnlampe. Der matschige Untergrund samt rutschigen Wurzeln ist einfach nicht berechenbar. Mein Sprunggelenk hat für heute genug – dank Bandage hält sich das Gezicke aber im Rahmen.
Wäre es nicht so kalt, würde mir die Schlammpackung an den Wadln ja echt Spass machen…. ein extrem „chilliger“ Abschluss für diese schöne und durchaus ruhige Nachmittags-Panorama-Rundtour!
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