Die höchste Erhebung der Geislerspitzen, die Sass Rigas 3025m. Gewaltig in der Mitte der Gruppo Le Odle im Puez-Geisler Nationalpark Grödnertal thronend. Eine fordernde Liebesgeschichte in zwei Akten – erst im zweiten Anlauf ist der Gipfel meiner – auch diesmal keine reibungslose Tour über den Klettersteig…
Letzten Herbst hast mich eiskalt abblitzen lassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und diskutieren wollte ich nach dem ersten Knall nicht mehr – bei Gewitter kein Klettersteig und auch kein Gipfel. Denn nur Eisen führt nach oben, durch die steile Ostwand oder die etwas zahmere, aber zickig-brüchigere Südwand. Einen anderen Zugang gewährst du keinem. Ende August hatten wir erneut ein Date. Auch diesmal hast mich ganz schön gefordert. Sonne, Nebel, Regen, Hagel… alles dabei. Und trotzdem bist du eine der schönsten Touren 2019 – Bergseensucht präsentiert: die Überschreitung des Sass Rigais 3025m!
TOURDETAILS:
Start: Regensburger Hütte Refugio Firenze 2037m (Base, bis dorthin Aufstieg zu Fuss von der Col Raiser Talstation – oder per Gondel – Parken gebührenpflichtig) – Cisles Alm (Ciautieres) – rechts dem Wegweiser Sass Rigais Klettersteig folgen – Schotterrinne mit Blick auf Gran Furcheta einbiegen – Ostwand Klettersteig (Kat. C) – Gipfel 3025m – Abstieg über den etwas leichteren Südwand Klettersteig (Kat. B/C) – Mittagsscharte 2597m – Cisles Alm – Regensburger Hütte (ca. 1000hm, 10km)Achtung: in der Südwand extrem brüchiger Fels, viel Geröll und lose Steine!
Wichtig: es gibt keine Topo für den Klettersteig – wie in Südtirol öfters der Fall…
Ostwand: Freikletterstellen im I. Schwierigkeitsgrad, exponiertes, ausgesetztes Gehgelände. | Lt. sentres.com: 60 % Stahlseil, 30 % exponierter Pfad, 10 % leichte Kletterei. 325 Hm mittelschwerer Klettersteig Kat. C
Absolute Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, Kondition & alpine Erfahrung nötig! Diese Überschreitung ist keine Wanderung, sondern eine alpine Tour!

Zurück im Val Gardena – Grödnertal Ende August
Fast ein ganzes Jahr ist vergangen, die Bilder von dir sind mir nie aus dem Kopf gegangen. Nur logisch, dass DU einer der Gipfel bist, die ganz oben auf meiner Bergliste stehen. So schnell serviert mich keiner ab. Plus: ich bringe sogar noch wem mit zum Date. Damit es diesmal Beweisfotos gibt – und was für welche! Für meine Begleitung Edi ist es der erste 3000er überhaupt und ich hoffe echt, du benimmst dich. Die Hoffnung ist am Gipfel dann den Nebeltod gestorben… ein 3er war dir scheinbar nicht recht.

Rifugio Fireneze – die Regensburger Hütte als Base im Puez-Geisler Nationalpark
Es ist nicht die erste Tour an diesem Tag. Der Wecker klingelte um 0400, um auf der Pana-Scharte / Seceda den Sonnenaufgang zu sehen. Völlige Dunkelheit, nur der Schein der Stirnlampen – bevor um halb 6 das Schauspiel langsam beginnt. Und zwar gewaltig… (ja, es wird einen eigenen, kleinen Beitrag damit geben – HIER!) mit diesen Eindrücken haben wir uns das Frühstück um halb neun zurück an der Hütte verdient. Rucksack um-, Klettersteigset und Helm einpacken, Wetterbericht erneut checken (geringe Regenmöglichkeit ab 1600, kein Gewitter) und um kurz nach 10 ist erneuter Abmarsch.
Von der Cisles-Alm tief ins Schotterkar
Der Zustieg erfolgt erst über den schönen schmalen Wanderweg direkt hinter der Hütte, der stetig ansteigend zur Cisles Alm (Ciautieres) führt. Ein erster Wegweiser zum Klettersteig – erst noch ein kleines Stück Richtung Mittagsscharte, am nächsten Wegweiser führt ein Trampelpfad nach rechts weg – geradewegs in eine Schotterrinne. Diese muss komplett durchquert werden, um an den Einstieg in die Ostwand zu gelangen. Immer mit Blick auf die exponierte, zweigespaltene Gran Furcheta 2924m – an deren Felsfuss man übrigens nicht gelangt. Erstaunlicherweise sieht man oben angekommen, dass die Wand ein paar Meter weiter hinter steht – vor einem nur der Abgrund. Hier orientiert man sich nach links und sollte die Ebene für eine kurze Pause nützen. Klettergurt- und Set sowie Handschuhe an, Helm auf – Stöcke verstauen. Partnercheck. Safety First. Ausserdem klink ich mir zur Sicherheit direkt noch eine Bandschlinge an den Gurt.


Sass Rigais Ready – auf in die steile Ostwand
Ungesicherte, aber leichte Kletterpassagen und exponiertes Gehgelände – ein Genuss. Die steile Einstiegswand in den Klettersteig ist durch Stahltritte entschärft. Zwischendrin immer wieder gewaltige Tief- und Weitblicke. Trotzdem sollte diese Variante der Überschreitung nicht unterschätzt werden. Grätschschritte, auf Reibung steigen, steile Aufschwünge und ausgesetzte Querungen wechseln sich ab. Der Gipfel ist zwischendrin schon erkennbar, die Route nicht immer – der Nebel verschlingt immer wieder die roten Punkte und sabotiert so die Orientierung.

Am Gipfel der Gefühle oder, wenn der Nebel das Panorama frisst
Wenn man weiss, wo was steht, dann kann man sich den Ausblick denken. Wenn man noch nie dort war – schwierig. Erst sind es nur Wolkenfetzen, die Teile verschlucken. Nach kurzer Zeit zieht aber dicker Nebel vom Torkofel 2967m herüber. Die Stevia und der Langkofel längst nicht mehr sichtbar. Die Fermedaspitzen, die Panascharte & der Rest der Seceda waren genau 5 Minuten sichtbar, ebenso das dahinterliegende Val di Funes. Solange es nur Nebel ist, denke ich mir – wohl wissend, dass dies aber auch anderes mitbringen kann…. nicht so angenehm. Vor allem, weil die Südwand lt Berichten sehr brüchig und geröllig ist – und komplett gequert werden muss. Ein langer Abstieg. Aber noch ist es ja nur Nebel… deswegen: nur ein Quickie am Gipfel (also Date) und dann auf nach unten!
Abstieg durch die Südwand (Kat. B/C) – Wetterkarussell inklusive
Apropos Nebel: am Gipfel folgt eine Offenbarung – meine Begleitung ist nicht ganz schwindelfrei, der Nebel für ihn ein Geschenk. Dann ist er doch für etwas gut – und für die Stimmung der Fotos ist es ehrlich gesagt sowieso ein Bonus! Der Abstieg über den Südwand-Klettersteig sollte uns aber mehr Kraft kosten als die Ostwand. Denn zum Nebel gesellte sich feiner Nieselregen und für einen kurzen Moment sogar Hagel. Jackpot. Steine rieseln von oben. Genau in solchen fordernden Momenten werde ich ruhiger. Überlege noch mehr – was macht Sinn für uns beide. Um mich mache ich mir überhaupt keine Gedanken, ich will dass wir beide mit einem guten Gefühl unten ankommen. Ich merke gleich, ob jemand angespannt ist. Das ist der Fall. Deswegen ist es Zeit für ein paar klare Anweisungen, das habe ich gelernt. Tempo nur an einfachen Stellen erhöhen, voll fokussieren – im ausgesetzten, brüchigem Gelände langsamer – jeder Schritt muss sitzen. Die Felsen wie mit Schmierseife überzogen. Die Lederhandschuhe nass, der Grip lässt nach. Auf Reibung steigen – leider nicht mehr drin. Die Kommunikation wird auf das notwendigste beschränkt. Wenn der Nebel den anderen zwischen nur einer Sicherung verschluckt, wird nach dem Stahlseil gewartet. Ja, auch ich bin angespannt – was aber positiver Stress ist. Alles ist in Ordnung, aus der Überschreitung wird eine Erfahrung. So schnell kann’s gehen!
Zugabe: Mittagsscharte 2597m
Gefühlt ewig dauert der Abstieg – die Südwand wird immer wieder abgeklettert und dann gequert – immer wieder. Bis wir an einer Plakette stehen, die den Einstieg zum Südwand Klettersteig anzeigt. Unter uns: ein Kar, fast komplett im Nebel. Ist hier der Abstieg? Nicht ersichtlich. Aber links von uns führt ein weiteres Stahlseil nach oben. Gut – das nehmen wir. Damit gelangen wir zur Mittagsscharte – haben die Odla gequert – Pause. Tief ein- und ausatmen. Abklatschen. Auch bei mir fällt ein Felsbrocken ab. Und wie könnte es auch anders sein – beim Abstieg ins Kar sehen wir zwei, die genau von dort kommen, wo wir nicht runter sondern nochmal aufgestiegen sind. Egal. Und als wie wenn der Sass Rigais und doch noch versöhnen will, zeigt sich in dem Moment wieder die Sonne…

BERG HEIL, GUAD IS GANGEN!
Gratuliere Edi, kannst verdammt stolz auf deinen ersten 3000er sein! PS: Werbung hart verdient – ein sehr talentierter, junge Herr und dabei so gschmoh wia’s nua a Goiserer sei kann. Bitte checken Sie –> LAKEVIEWR.COM


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