Ein echter Grenzgang zwischen Oberösterreich und dem Salzburger Land. 2100hm, 33 km, 13h gesamt. Wüde Jagasteigl, unmarkiertes Gelände, Latschen-Tango bis zum Gipfel, eine aggressive Höllenotter im Abstieg und die Goiserer Hütte als verdientes Fast-Happy End!

Es gibt Touren, die beeindrucken und fordern. Eine von denen, die ab einem bestimmten Punkt mental alles abverlangen, wenn der Körper – oder bestimmte Teile davon – die Reissleine zieht. Diese ist eine davon.

Vorneweg: ohne jemanden, der die alten und verwachsenen, unmarkierten Jagasteigl kennt, wird diese Tour zur Tortour. Absolute Trittsicherheit und Kondition sind ein Muss. Diese nützt einem aber nichts, wenn man vor lauter Latschen, Totholz und losem Gestein den Steig nicht findet oder im Absturzgelände nicht mehr vor oder zurück kann. Danke an unsere AV Sektion Goisern und vor allem an Christoph, der sich fast blind auskennt und uns in die alten Pfade eingeweiht hat!

Aus diesem Grund gibt es dieses mal KEINE exakte Beschreibung, nur die groben Eckdaten. OHNE ORTSKENNTNIS KEINE OPTION! Den Gipfel des Wilden Jäger kann man normal von Rußbach aus erreichen (rot/schwarz markierter Steig).

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Einmal von rechts nach links…

TOURDETAILS         27.6.2020       

Start Goisern Weißenbach 06.30 (vorab 8km Forststrasse bis endlich Höhenmeter gemacht werden) –  Bärenpfad – Bärenpfadsattel 1300m

Weglos und unmarkiert weiter: Niederes & Hohes Platteneck (1492m, 2 Fixseile gespannt) – Wurzingfeld (Latschen Tango) – Haberfeld (kurze Pause) – Wilder Jäger 1842m (12.30 Uhr)

Vom Gipfel des Jaga Abstieg zum Gr. Brettkogel (1658m, steil & teils seilversichert) – kleiner Brettkogel (1585m) – Rußbergtörl (1300m) – weglos und unmarkiert via Lärlkogl (Lärchkogel) zur Schartenalm – Goiserer Hütte 1592m (16-17.15 Uhr Einkehrschwung do, wo’s gschmoh is)

Abstieg via Kniekogl, Jochwand & Hammersberg zurück nach Goisern Weißenbach.

Gesamtzeit 13h (inkl ca. 1.45h Pausen) 2100hm, 58.600 Schritte (ca 33km).

KEINE QUELLEN unterwegs ab Bärenpfad! Zum Teil kein NETZ / EMPFANG!

Durchs Goiserer Weißenbachtal zum Bärenpfadsattel 1300m

Ein gemütlicher, 8km Forststrassen-Hatscher zum munter werden ist doch was feines. Oder auch nur ein notwendiges Übel, um zum Bärenpfad zu gelangen. Da sind 2h direkt mal um, bevor die ersten 400 Höhenmeter seit Start auf dem Tacho stehen… Dafür geht’s dann über einen kleinen Steig direkt weiter auf 1300hm zum Bärenpfadsattel. Hier verläuft die Grenze zwischen Oberösterreich und Salzburg. Hier endet der markierte Weg und wir schlagen uns nach einer kurzen Pause in den Wald… queren steile Stellen, steigen auf und ab, immer weiter – keine Steigspuren erkennbar.

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Steht man oben, muss man wieder runter – um wieder aufzusteigen…. relativ mittig in dem Fall

Niederes 1335m und Hohes Platteneck 1492m

Das Gelände wird wieder offener, das Auf und Ab bleibt. Ganz dezent kann man einen alten Steig erkennen, aber nur zwischendurch wo die schulterhohe Latschen etwas Platz freigeben. Vom niederen zum hohen Platteneck gibt es Stellen, an denen ein Fixseil gespannt ist, Drahtseilversicherungen am Grat. Endlich a bissal kraxln! Steil bergab im Geröll und Schutt, am ausgesetzten Grat entlang, erneuter Aufstieg… immer weiter… Konzentration bei jedem Schritt. Meine Bakerzyste nervt mich jetzt schon – aber solange das Knie mitmacht, ist alles okay. Tiefblicke ins Weißenbachtal – gewaltige Felsnadeln. Sowas erwartet man ehrlich gesagt bei uns nicht wirklich. Die Sonne brennt, kein Schatten – knapp 2 Liter Wasser hab ich schon inhaliert – direkt verdampft.

Wurzingfeld und Haberfeld – im Schatten des Gamskogel

Kurz vor dem Wurzingfeld wird das Gelände noch anspruchsvoller. Leichte, ausgesetzte Kraxlpassagen führen nach oben – bevor der wahre Spass beginnt. Dann: Latschen-Tango, loses Gestein. Ein grasiges Plateau schiebt sich langsam ins Bild. Raus aus dem Fels, rein ins Grün. Das Gamsfeld in greifbarer Nähe – unterhalb wird eine Pause fällig. Ausblick geniessen gelingt nur Medium rare. Sammeln, trinken, einen Riegel reinzwingen. Ein Rundum Video (das einzige). Bis hierher hat die Tour schon gut Spuren hinterlassen. Überall. Wenn Brennnesseln, Totholz und Latschen an Waden klatschen. Links blitzt der Wolfgangsee mit Schafberg, rechts der Dachstein samt Gosaukamm…

sdr

Wilder Jäger 1842m – kurzes Gipfelglück

Übers Haberfeld wird zurück zum Weg gequert, ein kleiner Pfad – der erste seit langem! An einer unscheinbaren, riesigen Latsche dann die erste Markierung, hier geht’s zum Gipfel. Aufsteigen, Absteigen, Aufsteigen… Berg heil um kurz vor halb Eins. Nach 6 Stunden sind 20 Minuten Gipfelpause hart verdient, Apfel und Riegel auch. Danach den selben Weg zurück und weiter zum Brettkogel 1658m, dessen Abstieg steil und teilweise mit Stahlseilen und Tritten versichert ist. Sorry, davon gibts leider keine Fotos – Tempo war angesagt. Tierische Überraschung inklusive. Eine Höllenotter beim Sonnenbaden zu stören ist keine gute Idee – auch wenn sie noch nicht ausgewachsen war. Selten ein so aggressives Verhalten gesehen und dementsprechend weil keine große Ausweichmöglichkeit vorhanden am schmalen Steig, erstmal kurz überlegt. Dann die Stöcke zur Abwehr beide nach links und in die Latsche so weit es geht. Wenn die gute mich angesprungen hätte (ja, das machen sie) wär zum Gift eventuell ein Herzinfarkt gekommen. Aber: gut gegangen, Puls trotzdem gefühlt auf 170… 

Entscheidung am Rußbachtörl 1300m

Zur Knallalm und von dort der Abstieg zurück ins Weißenbachtal (kurz und knackig) oder nehmen wir eine weitere alte Variante via Lärlkogel zur Goisererhütte 1592m? Länger und wieder weglos – aber Hunger und ein verdientes Weizen locken einfach stärker. Dieses Stück zieht sich wie Kaugummi – oder wie das Schlammloch, in das ich Knöcheltief zur Feier des Tages reingestiegen bin. Da war ja das kraxln noch angenehmer. Als wir aber zu fetten Almwiesen mit knallgelben Trollblumen kommen, wird’s sofort angenehmer… Kopf ausschalten, weitergehen. Meine 3,5l Wasser sind bis auf a paar Tropfen aufgebraucht. Als sich die ersten Almhütten ins Blickfeld schieben, wird der Schritt automatisch wieder schneller. Endlich an der Schartenalm angekommen und oberhalb steht sie – das Objekt der heutigen Begierde…

dav
Schartenalm – rechts gehts diretissima zur Goiserer Hütte

Goisererhütte 1592m um 1600 Uhr – finally!

Herzliche Begrüssung vom Max (immer den Besuch wert) – Bestellung von Herzen von mir: 1x Alkoholfreies Weizen, 1x 0,5l Johann Leitung, 1x 0.5l Saurer Radler, 1 Paar Debrecziner mit Senf & Kren UND ein Apfelstrudel (okay, des war fast a doppelte Portion – danke!). PAUSE. Von der Terrasse rüberschaun zum Wüdn Jaga – leck is des weit! Kurze Überlegung ob i einfach beim Max heroben bleib. Schnapserl gibts koans – der Abstieg via Knie(kogl) is fia meine Knie noch des Kirscherl auf der Schmerztorte. De san zwieda – beide mittlerweile. Vielleicht wär Schnaps doch a guade Idee – aber oana wird nit reichen.

Also: Stützbandage aussa und nach 75min Ruhezeit geht’s nur mehr owi… weit owi… der erste Teil bis zum Hochmuth kommt mir heut vor, als würd er 3h dauern. Vom Hochmuth zur Jochwand und via Hammersberg zurück auf Weißenbach gequält. Anders kann i des nimmer sagen. Halleluja, nach 58.600 Schritten um halb 8 zruck am Auto. A Tour zählt erst dann, wenn ma gsund wieder unten is. Und spätestens dann fallt die Anspannung a wieder ab und der Stolz überwiegt. Den Stress, den i ma selber mach weil i bergab nimmer so schnell bin – nicht notwendig aber des wird sie a kaum ändern. Deswegen: Danke fia’s auf mi warten – Over and Out!

frem

Fazit: eine der Touren, die ich nur einmal gehe. Die mich an meine physische Grenze gebracht hat. Wenn der Dickschädel nit wär – Mental bin i stark genug, trotzdem durchzuziehen. Gewaltige Eindrücke, gewaltig weit und gewaltig anstrengend. Viele Stellen und Felsformationen, die fotografisch festgehalten werden sollten, weil sie so beeindruckend waren. Die wilde Seite von Goisern, die ich nicht kannte. Dafür Zeit nehmen. Wer weiss – i kenn ja jetzt den Weg…
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Abstieg vom hohen Platteneck  (c) C. Kainrath
dav
Wenn der Abstieg wenigstens noch schöne Ausblicke gewährt… Sarstein und Hallstättersee