Mein erstes Mal in den Dolomiten. Eine echte Wet-Affair, inkl vom Nebel verschlucktem Panorama. 2 Tage, eine durchaus fordernde Tour auf nassen Felsen, Altschneefeldern und im Geröllkessel, die gerade wegen des durchwachsenen Wetters besonders stimmungsvoll war… 

Im Herz der Dolomiten, dem Naturpark Schlern-Rosengarten startet die Tour am Parkplatz Weißlahnbad oberhalb von St. Zyprian. Der Blick auf die umliegende Bergwelt: von Nebelwänden verschluckt. Ich war noch nie hier. Kenne das Panorama nur von Fotos. Stelle mir vor, wie gewaltig es jetzt wirken würde. 

Aufstieg durch das wilde Tschamintal im Herz der Dolomiten

Pünktlich beim Aufstieg zur Grasleitenhütte (Rifugio Bergamo, 2134m – die Base für die nächsten 2 Nächte) durch das wilde Tschamintal setzt Nieselregen ein. Der sich ganz schnell in Platzregen entlädt und danach in Dauerregen verwandelt. Da hält selbst die härteste GTX Shell nicht bis zum Schluss stand. Die Regenhose hab ich mir direkt gespart, da werde ich lieber nass und hab zwischendurch die Möglichkeit, von kurz auf lang und trocken zu wechseln. Aber bei 1000hm geht das auch ohne Tausch. Schade, dass die Sicht so besch* eiden ist. Das Rauschen des Wassers im Tschaminbach übertönt das prasseln des Regens auf der Kapuze kaum mehr. Monoton Schritt für Schritt nach oben. Erinnert mich an den Zustieg zur Zugspitze durchs Reintal vor 2 Jahren… 

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Aufstieg bei Dauerregen – das könnte eine der Tschaminspitzen (2750m) sein…

Stetig bergauf – angenehm zu gehn. Steil wechselt sich mit weicheren Passagen ab. An der Abzweigung zum Bärenloch am Talschluss (1890m) angekommen, ist die Strecke schon fast geschafft. Ab hier wird der Weg enger, steigt stetig an – wetterbedingt kein Tiefblick bei ausgesetzten Passagen. Alles nass, ausser mein Rucksack. Und dann steht sie da… von einem Plateau aus offenbart sich das Ziel. Die Grasleitenhütte. Nur noch ein kurzer Abstieg und dann schnell rein ins trockene… Wir sind die ersten Gäste, 3 Tage vor offiziellem Hüttenstart. Der Schnapstee dampft, der Ofen in der Stube heizt, der knurrende Magen wird mit Kasknödl, Polenta und Letscho besänftigt. Und dann… Regenstopp, dezenter Sonnenuntergang und der erste Blick von oben. Es gibt kaum Netz, aber auch ohne Telefon eine super Verbindung… Glückwunsch neues Kreuzi, deine ersten 5000hm im Aufstieg hast du somit an Tag 117 Post-OP drauf!

Tourplanung: das Wetter und der Berg bestimmt. Immer.

Tag 2, 5 Uhr. Geschlafen? So 2,5-3 Stunden. Die erste Hüttennacht ist für mich immer gleich. Keine Ahnung warum. Egal ob Lager, 4er, 6er oder 2er Zimmer. Aber auch an das gewöhnt man sich. Und Nein, am super bequemen Bett lag es sicher nicht und es hat auch keiner geschnarcht bei uns. Man merkt, die Hütte ist gerade erst aus dem Winterschlaf erwacht. Klamm und Kalt. Um 7 gibts Frühstück. Draussen prasselt der Regen. Schon wieder. Drinnen der Ofen. An dem ein kompletter Outdoorladen an Kleidung hängt – mehr oder weniger trocken. Die Stimmung: trotzdem gut – es ist keiner dabei, der aus Zucker ist. Allerdings hat unser Bergführer eher schlechte News. Eine starke Unwetter-Regenfront zieht auf uns zu, das was gerade runter kommt, ist erst der Anfang. Tourplanung auf Eis. Gegen mittag sollte das Wetter sich bessern. Und dementsprechend werden die Touren umgeplant. Klettern macht keinen Sinn. Aber man ist ja flexibel…

Rundtour Grasleitenhütte (2134m) – Bärenloch (1890m) – Tierser Alpl (2440m) – Molignon Pass (2604m) – Grasleitenhütte

Kurz nach 11 ist es soweit – das Regenradar hatte recht, es reißt auf. Zeit zum Rucksack packen war ja genügend. Deswegen geht dann auch alles schnell – die Route steht. Die Frage für mich ist nur, mit oder ohne Maximilian Klettersteig. Diese Option lasse ich mir offen – je nach Kraft und Selbsteinschätzung nach dem Aufstieg. Dass ich natürlich dann viel mehr Gewicht zu tragen habe (zusätzlich KS-Set, Klettergurt, Helm) ist klar. Und auch meine leichten Steigeisen / Spikes packe ich ein – für die Altschneefelder.

Vor dem Aufstieg durch das Bärenloch muss von der Grasleitenhütte aus erstmal wieder abgestiegen werden. Danach führt der Steig schnell in felsiges Gelände und erfordert Trittsicherheit – auf den nassen Felsen erst recht. Der obere Abschnitt ist teilweise drahtseilgesichert. Für mich super anstrengend, weil jeder Schritt konzentiert gesetzt werden muss. Höhere Tritte muss ich anders ansteuern als normal. Es regnet übrigens schon wieder. Nebel wabert, trotzdem geniesse ich den Aufstieg total. Und vergesse dabei völlig, Fotos zu machen. Echt schön hier, auch wenn ich nicht viel vom Panorama sehe. Und: es ist kein anderer unterwegs… Auf 2350 m Höhe trifft man dann auf den Weg, der von den Schlernhäusern kommt. Die Schutzhütte Tierser Alpl (2440m) im Blick – erste Etappe geschafft!

Ich merke, dass ich gut Kraft gelassen hab – deswegen muss auf der Hütte auch ein gscheides Bergsteigeressen her – das Frühstück ist längst verbrannt. Jetzt steht die Entscheidung an – Klettersteig oder nicht Klettersteig. Und obwohl ich ihn super gerne gehen würde, weiß ich, es wäre keine gute Idee. Bei diesem Wetter wird selbst ein vermeintlich einfacher passagenweise schwieriger. Mein Kraft-Akku begrenzt. Die ausgesetzte Passagen am Grat entlang bis zum Roterdspitz (Cima di Terrarossa 2655m) macht mir dabei aber weniger Sorge als der Abstieg. Deswegen ist mir klar: der Kopf und das Knie entscheiden – und zwar leider gegen die Via Ferrata und das Herz. 

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Blick auf die Rosszähne (Denti di Terrarossa 2655m) und die Sellagruppe (re)

Pure Mountain: Roh und Gewaltig

Was nach der Pause folgt, fordert mich umso mehr. Der Aufstieg zum Molignonpass auf 2604m. Das erste Stück drahtseilversichert, die Felsen nass und glatt. Geht trotzdem gut aber natürlich brauche ich mehr Zeit. Oben gibts zur Belohnung ein kurzes Sonnen-Intermezzo mit Blick zurück auf die markanten Rosszähne (Denti di Terrarossa 2655m), den Lang- & Plattkofel der Sellagruppe. Das erste Altschneefeld gequert, kurzer Abstieg bevor das nächste in Richtung Kesselkogel wartet. Zeit, die Schuhe zu präparieren. Rutschen ist für mich und das Knie keine Option – die Leichtsteigeisen geben Sicherheit, auch wenn ich die einzige damit bin. 

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Am Molignon Pass (2604m) mit Blick auf den Kesselkogel. Man quert von links (siehe Spur im Schnee) bis ca. zur Mitte, beim Felsen führt der Abstieg steil abwärts in den Kessel

Der Himmel verdunkelt sich erneut – Drama-Stimmung. Passend zum steilen Abstieg in den Grasleitenkessel. Altschnee, Geröll, Altschnee, noch mehr Geröll. Die größte Herausforderung auf dieser Tour. Ganz langsam und gezielt, trotzdem rutscht man immer wieder stückweise. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit. Prasselnder Regen. Egal. Und dann – kommt man am Boden des Kessels an und die Sonne blitzt durch. Ein Blick zurück. Erleichterung. Die Augen vom Regen feucht. Oder auch nicht. Unheimlich stolz. Fix und Fertig. Kurze Verschnaufpause. Hier würde der Weg nach oben zur Grasleitenpasshütte führen. Das letzte Stück zurück zur Grasleitenhütte wartet. Vom Nebel verschluckt. Und ja, spätestens dort scheint auch wieder die Sonne bevor sie wieder hinter Gewitterwolken verschwindet.

Der indische Koch zaubert nach Penne mit Ragout ein Truthahn Curry zum Niederknien. Warmer Apflstrudl und ein heisses, dickes Knie mit Arnika zur Nachspeise… 2 Bier plus ein tiefer Schlaf bis morgens um 6. Alles gut – tired legs, happy heart!

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Und auf der Fahrt zurück zeigt sich dann auch bei Kurve 3 zum Abschied endlich der Rosengarten… I´ll be back for sure!

FYI: Trip auf Einladung von Salewa, die vor Ort auf der Grasleitenhütte / Rifugio Bergamo unter dem Motto PURE MOUNTAIN ihre neue SS19 Kollektion vorstellte. Motto: keep it clean & simple! Sowohl bei den Styles als auch beim Equipment. Funktionell statt überladen. Meine persönlichen Eindrücke werden ungefiltert wieder gegeben.

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Tried & Tested by bergseensucht in the Dolomites:

Agner Light Print Pant (SS19) mit Durastretch – leichte, super bequeme Kletterhose mit reduziertem Design (nur eine Zip-Tasche, Schnürbund). Ehrlich gesagt, nach anfänglicher Skepsis wollte ich sie nach der Tour gar nicht mehr ausziehen und zurück geben… super Bewegungsfreiheit, nichts drückt oder scheuert. Kann easy am Bein hochgeschoben werden. Wasserabweisend, atmungsaktiv. 

Pedroc Hybrid PTC Alpha Jacket (HW18) – leicht (285g), wind- und wasserabweisend, atmungsaktiv, strapazierfähig, klein komprimierbar & schnelltrocknend. Die Jacke mit Polartech Alpha & Power Grid wird mich auf den nächsten Touren begleiten. Gewärmt hat sie mich abends auf der Hütte schonmal fein – das bodymapping funktioniert.

MTN Trainer 22l Ws Rucksack (HW18) Contact Flow Fit Tragesystem (Dry Back), mit nur 835g speziell auf Speed Hiking und Klettersteig-Touren angepasst (der wird mit mir die nächsten Via Ferratas gehen – dann sehen wir, ob das Problem verschwitzter Rücken passé ist). Die Hüftgurttasche mit Zip ist perfekt, um mein Telefon zu verstauen. Und ja, das schlichte Design und die Farbkombi Türkis/Blau – I really like! Geteilte Schulter- & Hüftgurt sorgen für bessere Ventilation (50x18x29cm) News: der vorgestellte SS19 Apex Wall Rucksack (zum technisch anspruchsvollen Bergsteigen) bietet laut Salewa die effektivste Micro-Lüftung an einem Rucksack, ohne dabei auf Komfort zu verzichten. 

Zustiegsschuh Wildfire GTX mit Pomoca Sohle und 3F-System (steht für einen perfekten Fersenhalt und damit für Blasenfreiheit). Nur 2h beim Zustieg zur Hütte getragen, keine Blasen – weitere Einsätze folgen. Erster Eindruck: trotz Dauerregen guter Grip auf nassen Felsen und Steinen! Aber: wenn das Wasser dank Platzregen auch von oben in den Schuh läuft, hat auch Goretex keine Chance mehr…

Psst: nächstes Jahr kommt mit dem Wildfire Edge ein Version für technische Zustiege, bei der die Passform zusätzlich durch das „Switchfit-System“ optimiert wurde. Die Schnürsenkel können durch eine zusätzliche Öse über der Schnürung gezogen werden, um die Fersenneigung des Schuhs zu verändern. Dadurch wird der Fuß nach vorne in die Zehenkappe gezogen. Die Zehen haben, wie im Kletterschuh, weniger Platz. Nach dem Klettern und zum Abstieg wird die Schnürung wieder durch die „Hike“ Öse gezogen – für den Komfort eines Wanderschuhs beim Abstieg. Bonus: die eingearbeitete Innensohlenplatte unter dem Vorfuß sorgt für zusätzliche Steifigkeit, die übrige Sohle bleibt flexibel.

salewa
#thanksforhavingme — Foto: julianrohn.com
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PURE MOUNTAIN