Die Hanwag Alpine Experience wurde dank Regenwetter und Schneealarm zur ganz besonderen Erfahrung. Statt der 4 Routen auf die Zugspitze gab es nur eine einzige Option. Der Berg bestimmt eben. Immer.
Aber von Anfang. Samstag vor einer Woche, auf Einladung von Hanwag geht es an den Eibsee, dem Basislager für die Nacht. Das Wetter? Regen. War auch fast klar, nach den letzten schönen Wochen. Aber ist ja keiner aus Zucker. 75 internationale Bergliebhaber treffen das erste Mal aufeinander. Gibt also auch Englischtraining, nicht nur Wadl-Workout. Darunter nur eine Handvoll Frauen. Neben Deutschen, Finnen, Schweden, Dänen, Engländern, Amerikanern und Kanadiern sind auch Holländer am Start. Nicht gerade die typische Kraxlnation. Aber genau dieser Fakt macht die Hanwag Alpine Experience (kurz HAE) aus – für jeden ist eine Route auf Deutschlands höchsten Gipfel dabei. Von der einfachen, aber langen Wanderung bis hin zur anspruchsvollen Gratbeschreitung. Bereits zum dritten Mal. Also im Prinzip. Denn das Wetter macht diesmal sein eigenes Event. Und ich darf dabei sein – #bergseensuchtgoeszugspitze
Nach einem kurzen Get Together steht abends das Briefing an. 14 Bergführer von Mountain Elements sind einsatzbereit– haben aber weniger gute Neuigkeiten. Der angezuckerte Gipfel der Zugspitze winkt in den kurzen, nebelfreien Momenten bereits zum Fenster herein. Für Sonntag ist Dauerregen angesagt, oben wird es schneien. Und Montag wird es winterlich, so richtig. Also nicht nur süsse Schneeflöckchen sondern Frau Holle wird Gas geben. Damit war klar, das Klettersteig-Routen keine Option mehr sind. Eigentlich alle bis auf eine. Pfiat enk Höllental, Stopselzieher & Jubiläumsgrat. Die Sicherheit der Teilnehmer geht vor. Konsequent. Enttäuschte Gesichter. Aber let´s face it, die Natur legt die Routen vor. Erfahrung Nummer 1: der Zusammenhalt in der Gruppe passt und es wird sich trotzdem auf die anstehenden 2 Tage gefreut. Bei Sonne kann ja jeder… #aufgehts
Nach dem letzten anstrengendem Regentag im Rofangebirge war ich mit dem Regenthema eigentlich durch. Ja, ehrlich gesagt, #notamused immerhin hab ich dieses Jahr mehr Gipfel ohne Panorama aber dafür mit #dramawetter gesehen… Nix Stopselzieher-Route mit a bissl #kraxln – Reintal wir kommen. Von Garmisch zur Partnachklamm, weiter an der Partnach entlang bis zur Reintalangerhütte auf 1367 m, wo übernachtet wird. Easy Tour in 5-5,5 Stunden und nur 700hm.
Sonntag. Abmarsch für meine Gruppe ist erst für 11 Uhr angesagt. Erfahrung Nummer 2: Warten ist anstrengender als Gehen. Die beiden ersten Gruppen sind zu der Zeit bereits weg. Und weil Petrus mich scheinbar echt gern mag, fängt es pünktlich um 11 zum Regnen an. Aber direkt mit dem bereitgestellte Knirps gehen? Sicher nicht #abisslnassschadtnit Kapuze auf, los gehts. Erkenntnis zwischendrin: Glöckchen. Am Rucksack. Nerven tierisch. Almabtrieb oder was? Sind wir auf Bärenflucht? Wenns wenigstens Kuhglocken wären… scheinbar trägt man das so in einem Nachbarland, und nein, damit meine ich nicht Österreich #dahoamisdahoam An der Partnachklamm geht’s zu wie beim Anstich auf der Wiesn. Wildromantische Schlucht? Tropfnass steigt der Hass. Sich durch den Fels schiebende Massen? Bei dem Sauwetter? Wie krass muss dieser Ort im Sommer bitte sein? Ach ja und ich plädiere für eine Einbahnregelung! Aber die Klamm ansich ist ganz nett, danach wird’s zum Glück direkt ruhiger. Die Bockhütte ist das nächste Ziel. Zum trockenlegen. Und Tee trinken. Und Vollkorn-Mannerschnitten mampfen. Und zum Schirm auspacken. Jetzt also doch. Erfahrung Nummer 3: manchmal wär es besser, einfach direkt die bequemere und trockene Variante zu wählen #schirmparade
Irgendwann ist es soweit, dass alle ihren Knirps auspacken. Und Ideen, wie man die Glöckchenträger zum Schweigen bringt. Also nur die Glöckchen. Ablenkungsmanöver, Pflaster reinkleben oder brachiale Gewalt? Erstmal so gut es geht ausweichen! Erfahrung Nummer 4: der Dauerregen macht müde und weniger aggressiv auf Glöckchengeläut. Das gehen wird automatisiert, die Gespräche werden weniger, die Umgebung verschwimmt. Trotzdem oder vielleicht genau deswegen ist die Stimmung in der Gruppe gut. Man muss sich aber fast zwingen, zwischendrin den Blick vom Boden abzuheben. Weil es sich wirklich lohnt. Die neblig graue Stimmung ist besonders. Wasser rauscht von den Wänden herunter, der bereits eingefärbte Wald wird zum Star. Der gewaltige Partnachursprung bahnt sich seinen Weg aus dem Fels heraus. Und dann schießt eine Wasserfontäne in den eigenen Nacken… Erfahrung Nummer 5: der Knirps will ab und zu geschüttelt werden #humoristwennmantrotzdemlacht Und das Glockenpaar ist mir mittlerweile sowas von wurscht…
Nach guten 3 Stunden erreichen wir endlich die Reintalangerhütte, wo die anderen beiden Gruppen schon in Bierlaune sind. Nass aber glücklich. Das einzige, was komplett trocken ist, sind die Füße in den neuen Hanwag Ferrata GTX, das Erkennungszeichen unserer Truppe. Umziehen, warmtrinken, aufs Essen (Kürbissuppe, Spaghetti Bolo – oafach & guad) und den Abend freuen. Erfahrung Nummer 6: der Blick aufs gequetsche im Lager senkt die Laune, nach ein paar Schluck Zirbenschnaps spielt es keine Rolle mehr. Das ich dort sicher nicht schlafen kann, ist mir aber auch klar. Vor allem wenn plötzlich noch 15 Koreaner vor der Tür stehen und übernachten wollen. Also so lange wie möglich mitfeiern (Hüttenruhe außer Kraft gesetzt) und dann neu überlegen. Kampai! Ging erstaunlich gut. Wahrscheinlich dank der Gitarre und der Songauswahl. Von Bob Marley über Metallica bis hin zu Seiler & Speer – was sonst. A schware und lange Partie. Plan B wurde weit nach Mitternacht umgesetzt: neben dem Kachelofen auf der Holzbank schlafen. Erfahrung Nummer 7: mit dieser Idee ist man nie die einzige. Aber: in der urigen Gaststube hat wenigstens keiner geschnarcht. Trotzdem war die Nacht kurz. Sehr kurz. Keine weiteren Details. Und als um 6 das Frühstück aufgebaut wird und schon wieder Tropfen an die Fensterscheiben klopfen, hält sich die Motivation in Grenzen… #oarschwetter und es warten knappe 700 hm bis zum ersten Zwischenstopp.
Meine Gruppe ist um halb 8 ready for Abmarsch. Im Regen. Was sonst. Aber heute ist ein guter Tag, es nieselt nur leicht und schüttet nicht #wenigstenswas Also bleibt der Knirps erstmal auf Standby. Und die Glöckchen scheinbar in der Tasche. Oder hat da doch einer nachts die Rache der Glöckler gespielt? Der Anstieg zur Knorrhütte (2052 m) hat es in sich. Am Talschluss, dem Oberen Anger, geht es in steilen Kehren bergauf. Sauerstoffzelt anyone? Vielleicht hängt die Nacht aber auch nur steil in den Knochen. Erfahrung Nummer 8: manchmal freut man sich über so einen fiesen Nieselregen und Wind doch mehr als über Sonne. Der Kopf wird freigeblasen, mein Rucksack immer leichter. Der Wasserverbrauch ist heute etwas erhöht – von wegen #alittlepartyneverkillednobody Die Gespräche werden bis auf weiteres minimiert oder fast eingestellt, die Partytruppe von gestern braucht die Luft für den Anstieg. Wir schrauben uns weiter nach oben. Es dauert gefühlt ewig, bis die Knorrhütte im Nebel auftaucht. Eine halbe Stunde Pause wird uns zugestanden. Bitter nötig. Aber: der Körper funktioniert trotz Schlafmangel, der Kopf ist zum Glück wieder frei und meine drei Schmerztabletten sind international verteilt. Erfahrung Nummer 9: manche Hangover-Kandidaten leiden besonders, fast wie bei einer Erkältung… #nomercy #männer
Ansage bei Kräutertee: jetzt fängt der anstrengende Teil an. Jetzt? Ich mach mir lieber keine Vorstellungen aber ahne, dass was auf uns zukommt. Deswegen gibt es auch keinen Kuchen für mich. Unnötiger Ballast und so. Der Wind wird kälter und schärfer. Statt Nieselregen gibts bald Schneeregen. Und dann Eisregen. Die Tropfen im Gesicht fühlen sich wie Nadelstiche an. Die Augen brennen und tränen vom Wind. Aber die wasserfeste Tusche sitzt. Noch immer. Das Wetter wird noch schlechter. Schließlich kämpfen wir uns im Entenmarsch durch den frischgefallenen Schnee. Bis zu 20 cm bedecken die sonst geröllige Mondlandschaft am Zugspitzblatt. Ich schalte alles ab, was Energie kostet. Nur eines muss bleiben: volle Konzentration. Es ist rutschig. Anstrengend, der Schnee blendet. Die Sicht gleich null. Kurz vorm Whiteout. Statt der Sonnenbrille wünsche ich mir meine Snowboardbrille und eine Sturmhaube, ziehe die Kapuze noch enger über meine wärmende Beanie. Ein hoch auf gute Ausrüstung und den sexy Zwiebellook. Denn frieren wäre jetzt noch schlimmer. Ein Schneemann auf dem Weg zaubert kurz ein Lächeln ins Gesicht. Zum ersten Mal auf dieser Tour will ich wissen, wie weit es noch zum Sonn Alpin (2576 m) ist. Schon noch a bissl ist die unbefriedigende Antwort. Also stapfe ich weiter. Nichts zu sehen macht das Ganze nicht besser. Die Gruppe fällt auseinander. Für mich läuft es wieder. Wenn ich jetzt aber hinter jemanden gehen und mich einbremsen muss, werde ich müde und unkonzentriert. Also wird überholt. Der vordere Teil der Gruppe ist nicht mehr zu sehen, mein eigenes Tempo fühlt sich gleich besser an. Und dann ist neben dem Pfeifen des Windes plötzlich noch ein Geräusch im Schneesturm. Seilbahn? Eisbär? Oder Einbildung? Egal, es kann also nicht mehr so weit sein. Die Schritte werden schneller. Oben auf einer Kuppe kommt dann eine Station ins Blickfeld, leider die Falsche. Ich bleibe stehen und atme tief durch. Endlich oben, am Karboden und fast am Ziel! Wo ist der Rest von unserer Gruppe? Die letzten 100 Meter geradeaus zur Sonn-Alpin-Station laufe ich. Vor Erleichterung. Erfahrung Nummer 10: So schnell wird eine vermeintlich einfache Route zur Herausforderung! #gehleck
Im Restaurant treffen wir auch die ersten beiden Gruppen wieder. 1209 hm geschafft! Rund 400 fehlen noch bis zum Gipfel auf 2962m. Wie lange waren wir unterwegs? Eine gefühlte Ewigkeit, die keine war. Unter 5 Stunden. Die HAE ist fast am Ende, genauso wie auch die Kräfte bei einigen. Der Wetter wird leider noch schlechter. Das letzte, Drahtseil-versicherte Stück zum Zugspitz-Gipfel hinauf ist vereist, es stürmt am Grat, die Sicht gleich null. Nach Beratung und erneutes Begehen zum Spuren der Strecke gibt es eine klare Ansage der Berg-Experten von Mountain Elements. Nur wer jetzt noch 100 % Fit und Konzentriert ist, geht mit. Einige diskutieren, aber eigentlich auch nicht. Sogar gestandene Kraxler ziehen hier für heute einen Schlussstrich, streichen den Gipfel und verzichten. Es ist nicht möglich, jeden ans Seil zu nehmen. Die Entscheidung ist hart, muss aber getroffen werden. Und da setzt er ein, der Zugspitz-Blues…
Nur rund 25 Leute werden das letzte Stück mit den Bergführern gehen. Ich bin hin und her gerissen. Körperlich könnte ich durchaus noch 1 Stunde durch den Schnee gehen, das Problem liegt aber wo anders. 100% Konzentration ist wahrscheinlich nicht mehr so lange drin und deswegen macht es für mich keinen Sinn. Den Willen und die Kraft bringt man auf, aber was ist, wenn ich mit meinem Verhalten einen anderen in der Gruppe gefährde? Muss nicht sein. Der Berg lehrt Demut. Nur ein kurzer Ausrutscher… und deswegen entscheide ich mich schweren Herzens für Variante G wie Gondel. Erfahrung Nummer 11: auch für unpopuläre Entscheidungen am Berg gibt es Applaus. Und jeder einzelne, der es bis hier hin geschafft hat, kann sich an diesem Tag selbst auf die Schulter klopfen. Ehrgeiz hin oder her. Für manche einfacher als für andere.
Am Plateau ist vom Gipfelkreuz keine Spur, es haben sich nur wenige Touristen an diesem Montag nachmittag her verirrt. Sehr angenehm. Im Münchner Haus wartet ein warmes Mittagessen und die Erkenntnis, dass die Beine doch ganz schön schwer sind. Und die Müdigkeit schneller einsetzt als erwartet. Ich denke an die anderen, die sich noch immer nach oben tasten. Und rutsche unkonzentriert aus und mit dem Arsch die Klotreppe runter #sauber War doch die richtige Entscheidung. Der Rückweg mit der Seilbahn: kurz und schmerzlos – die Badewanne im Hotel eine schöne Belohnung nach den zwei Tagen Regen und Schnee. Abends wird’s in der Eibsee-Alm nochmal gmiatlich bei Bier, BBQ & Musi #ozapftis Einige lassen die Tour noch – naja sagen wir ausführlich – ausklingen… bei mir gibts als Dessert nach Bayrisch Creme noch eine Beinwell-Salbe an dicken Knien mit Gelenkwehweh. Oder: Timeout und um 10 ins Bett. Auch eine Erfahrung, Nummer 12 sozusagen! #desalterisahund
Vielen lieben Dank an das gesamte Hanwag Team – allen voran Anna-Lena, Chris & Mario – für die Einladung, die Ausstattung, die perfekte Organisation und die Fotos. Ein besonderer Dank geht auch an die 2 Damen & 12 Herren von Mountain Elements für die großartige Betreuung, das vermittelte Wissen und Sicher ans Ziel bringen. Diese Alpine Experience hat ihren Namen sowas von verdient.
Berg heil, SCH(N)EE WARS!
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