Von See zu See im Salzkammergut – es gibt Touren, die geht man nur einmal. Nachdem letztes Jahr hüfttiefer Schnee meine Pläne verschüttet hat, war’s Ende Juli soweit! Vom Hallstättersee übers Echerntal zur Simonyhütte am Dachstein. Durch alpine Karstlandschaft über den Hohen Trog und die Hoßwandscharte, vorbei am traurigen Rest des Schneelochgletscher zum Gosausee. Willkommen zu 50 Shades of Dachstein Grey… one beautiful Hell of a Tour!

Wie hüfttiefer Schnee im September letzten Jahres? Oh ja… so ein Schlechtwetter-Einbruch schafft das locker. Nachlesen und mehr zum BergeSeen Trail -> Berge Seen Trail Salzkammergut – Alpine Route Dachstein West 

TOURDETAILS TAG 1: Hallstatt Lahn (direkt am See) – Echerntal – Wiesberghaus 1884m – Simonyhütte 2203m (Basecamp am Dachstein & Lager für die Nacht). 11km 1660hm

TAG 2: Hoher Trog 2355m – Hoßwandscharte – Schneelochgletscher – Aufstieg zur Adamekhütte 2196m – Abstieg zum hinteren & vorderen Gosausee. 16km, 660hm im Auf- & 1881m im Abstieg

Trittsicherheit & gute Kondition muss unbedingt vorhanden sein. Die Tour führt im Abschnitt von der Simonyhütte zur Adamekhütte ausschließlich durch hochalpine, dolinendurchsetzte Karstlandschaft. Nur Steinmarkierungen vorhanden, teils drahtseilversichert. Mit und ohne Eisenstifte als Tritthilfen. Keine Quellen o.ä. zum Auffüllen unterwegs. Achtung: sollte nur bei absolut stabilen Wetterverhältnissen und im trockenen Zustand (im Sommer) begangen werden! BTW: auch Ende Juli sind noch immer einige Schneefelder zu queren – kein Gletscherkontakt. Die komplette Runde ist NICHT als Tagestour zu empfehlen!

Warum gerade in diese Richtung? Bei der alpinen Variante (Etappe 26 & 27) des Salzkammergut BergeSeen Trails wird die Tour ja in die andere Richtung begangen. Kann man erst mittags starten und will auf der Simony statt auf der Adamek schlafen, geht der Plan nur so auf. Insgesamt gewaltig schön, aber fordernd!

Tag 1 Hallstatt – Simonyhütte: Flucht ins Echerntal

Da Parkplätze an einem Sonntag mittag in Hallstatt sowieso nicht verfügbar sind, zahlt sich die Anreise per Bus aus. Am Parkplatz Gosaumühle kann kostenfrei geparkt werden genauso wie am Gosausee. Man landet direkt in Lahn neben dem See und steht mittendrin im Massentourismus-Gewusel. Beim Aussteigen von mit Koffern bewaffneten Kampf-Chinesen zwar fast gerammt worden, aber nicht mit mir. Da gibts direkt eine Ansage und dann schnell weg. Und zwar direttissima ins ruhige und a bissal kühlere Echerntal. Das haben sie noch nicht entdeckt – zum Glück. Entlang des Waldbachs bis zur Forststrasse und dann z.T steil bergauf. Auf dem Weg durch einen kurzen Tunnel, zur Wiesberghaus-Materialseilbahn, rechts tosen die Waldbachstrub-Wasserfälle. Endlich zweigt der Weg links „beim alten Herd“ in den Wald ab und windet sich stetig nach oben. Vorbei an der nicht bewirtschafteten Tiergartenhütte, neben der die Wände steil aufragen, weiter durch die sogenannten „Herrengasse“. Vom Almboden der Wiesalm 1689m durch Lärchen und Zirben bevor das Gelände wieder freier wird. Das Wiesberghaus wird in der Ferne sichtbar. Direkt am Weg sonnt sich eine braune Kreuzotter. Statt weiter zur Simonyhütte weiter zu gehen, wird erstmal eine Pause aufm Wiesberghaus fällig. Eiskalter Radler und Apfelstrudl mit Vanilleeis (nicht klassisch, eine hitzebedingte Ausnahme) auf der Terasse – ein Genuss! Eine Outdoor-Dusche lockt, aber von hier aus sind es noch gute 40 Minuten. Und zum Abendessen wollen wir auf der Simony sein. Am niederen Ochsenkogel vorbei – aus ists mit Grün. Der Krippenstein winkt von drüben, vor einem erhebt sich der hohe Dachstein. Ab ins fast vegetationslose verkarstete Dachstein-Grau, in dem nur ab und an Blumen spriessen. Die dafür aber umso schöner!

Dieser Weg ist übrigens bereits im 19. Jhdt angelegt worden und ermöglichte als Franz-Josef Reitsteig damals schon den Zugang zum Dachsteinplateau!

Gute Nacht Dachstein

In zweifachem Sinne: der Hallstätter Gletscher schockt – traurig zu sehen, wie sehr er sich in den letzten Jahrzehnten zurückgezogen hat. Andererseits schläft man auf der Simonyhütte auf 2203m wirklich gut. Sie ist das offizielle Dachstein Basecamp, Standort vieler Hochtouren- & Gletscherkurse. Christoph Mitterer, seineszeichens Hüttenwirt & Mitglied der Bergrettung, verleiht auch die passende Ausrüstung (falls was fehlen sollte). Der Aufstieg vom Wiesberghaus ist unschwierig und gut markiert. Vorbei am alten „Hotel Simony“, dem ersten Stützpunkt am Dachstein, errichtet 1843. 97 renoviert und noch immer a pipifeine Schlechtwetter / Biwak-Option – denn wenn der Nebel einfällt, dann ist man auch ein paar Meter unterhalb der Hütte froh über so ein Schlupfloch. Das Lager auf der Simony ist großzügig geschnitten, nur immer 2 liegen nebeneinander (zumindest im 2. Stock unterm Dach). Und nach einem netten Hüttenabend am Bergführertisch schläft man sowieso gut… 

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Der Dachstein im Abendlicht… der Hallstätter Gletscher? Ein Trauerspiel. Vor rund 60 Jahren reichte er noch fast bis zur Simonyhütte, erzählt mein Oma.

TAG 2 Simonyhütte – Adamekhütte: Grau kommt auch ab und an von Grauen…

Die Morgensonne kitzelt im Gesicht, fürs Frühstück ist es aber noch zu früh. Deswegen die Luxusvariante: nochmal umdrehen und noch a bissal weiterschlafen. Vor allem wenn der Tourenpartner auch noch nicht munter ist. Danach warten Käse, Brot, der geile Trash-Obstsalat aus der Dose (ewig nicht gegessen), Bananen mit Schokosauce (!!) und ein gefühlter Liter Minztee auf mich. Und zwei Mini-Schweine, die hinter der Hütte ihre Residenz umdrehen. Den Schweindaln hätt ich stundenlang beim spielen zuschaun können… aber: heute der falsche Tag dafür. Immerhin steht schon a bissal was am Tacho. Über den Weg 650 gehts von der Simony erst über schräge Platten des weiten Wildkars und dann über loses Gestein und leichter Kraxelei inkl einer Seilversicherung rauf zum Hohen Trog 2355m. Ein weiter Sattel. Markierungen auf gefühlt jeden dritten Felsen. Und das ist hier auch nicht zum Spass so. Dolinendurchsetztes Gelände – riesige klaffende Löcher und ausgeschwemmte oder schroffe Spitzen, Schneefelder – hochalpiner Karst eben.

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Weg Nr. 650 von der Simonyhütte zur Adamekhütte

Ab in den Kessel – Kraxelei zur Hoßwandscharte

Geröll, mein Freud. Nicht. Also weder meiner noch der von Franz, der mich auf der Tour begleitet. Zwei Invalide, wobei meine Verletzung ein Klacks gegen seinen Absturz ist. Umso schöner, dass wir beide 5 Monate danach diese Tour angrissen haben! Also in Serpentinen ein Stück runter in den Kessel, über Felsstufen und eine drahtseilversicherte Stelle gequert und abgestiegen. Immer weiter auf die gegenüberliegende Seite der mächtigen Nordflanke unterhalb des Hoßkogels 2364m. Das nächste Schneefeld umgehen wir, sieht nicht mehr allzu einladen aus und wer weiß, was für ein Loch drunter ist. Logisch finden wir die Wegführung beide nicht. Vor allem als wir sehen, dass wir bis zur Mitte der Wand fast senkrecht aufsteigen müssen. Zwar problemlos wegen Drahtseilversicherung, allerdings wird dann zum Teil im Geröll & Schutt die Nordflanke rüber bis zum Aufstieg in die Hoßwandscharte gequert. Dieser Abschnitt macht mir am meisten Spaß: endlich a bissal Abwechslung mit leichter Kletterei (unversichert). Vorteil: diese Passage liegt gerade im Schatten, der erste Liter Wasser ist schon inhaliert.

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Die Nordflanke des Hoßkogels, wer genau hinschaut sieht links unten zwei im Aufstieg. Gequert wird mittig durch, danach folgt der Aufstieg inkl leichter Kletterei zur Hoßwandscharte

Von der Hoßwandscharte 2187m wird in der prallen Sonne abgestiegen – und das Grau wird zum Grauen. Für meine Knie. Da würde auch kein Mister Grey helfen. Durch das riesige, von Felsblöcken durchzogene Kar des Schneelochs – die extrem traurigen Reste des Schneelochgletschers im Blick. Genauso wie die Bischofsmütze und den hinteren Teil des Gosaukamms. Ewig geht es hier über die ausgeschwemmten Blöcke, Platten – super anstrengend und die Hitze macht es nicht einfacher. Ich muss mich extrem konzentrieren, das 4fach Kreuzbandtransplantat im Knie lernt bei jedem Tritt. Meine Laune ist a bissal am Tiefpunkt, stellenweise ist es eine echte Quälerei für mich. Aber: hat mich keiner gezwungen und gejammert wird nicht. Höchstens in Gedanken. Geflucht schon eher. Ab und zu halt. Deswegen bekommt diese Passage einen neuen Namen: HAßWANDSCHARTE…

Fast geschafft: verdiente Radler-Pause auf der Adamekhütte

Endlich durch! Endlich am Wegweiser – gleich absteigen oder kühler Radler auf der Adamek? Pause fällig, deswegen ist der erneute kurze Aufstieg zur Adamekhütte 2196m auch nicht mehr wirklich tragisch. Der Gosauer Gletscher ist gefühlt auch um ein paar Meter weiter oben als letztes Jahr. Unterhalb der Wände des Schreiberwandecks gehts hoch zur Sonnenterasse, bevor der lange Abstieg zum hinteren und von dort zum vorderen Gosausee wartet. Und der zieht sich bekanntlich viel mehr als der Aufstieg…  aber ich hab vorgesorgt und bin mit zwei Paaren Schuhen unterwegs. Die leichten Wildfire GTX von Salewa, welche mich auf der Gosaukamm-Umrundung – Alpin begleitet haben sowie meinen Ferrata Combi GTX von Hanwag. Gerade für Bergab im Geröll mehr Schutz und Sicherheit – dafür trage ich gerne a bissal mehr Gewicht spazieren. Is ja alles Training… In guten 2 Stunden haben wir den Abstieg gerockt, nach einer kleinen Pause am hinteren Gosausee geht es unschwierig nur mehr über die Forststrasse raus (a Hatscher) und am vorderen See entlang. Ziel: Gasthaus Gosausee, wo die untergehende Sonne den Torstein samt Gosauer Gletscher orange färbt…

FAZIT: VON SEE ZU SEE

Würde ich die Tour nochmal gehen? Am Abend war das klare Fazit noch: sicher nicht. A elendiger aber gewaltig scheener Hatscher ummi, owi und aussi. Heute, eine Woche danach, sieht das ganze schon wieder anders aus. Für nächstes Jahr wäre folgende Route interessant: Gosausee, Steiglpass, Linzersteig, Adamekhütte (schlafen). Und von dort rüber zur Simony. Vorteil: die Platten-Passage zur Hoßwandscharte liegt im Aufstieg, vielleicht die viel einfachere, knieschonendere Option…

Bergseensucht sagt Danke Franz fürs mitgehen! Für so eine Runde auf meiner Seite des Dachsteins war einfach ein verlässlicher Tourenpartner fällig. Auf seiner Facebook Seite ALPINE MOMENTE gibts jede Menge Fotos zur Tour – und was der motivierte Pongauer sonst so macht, kann man auf Youtube verfolgen… (und danke fürs abschiessen – also so rein fotografisch)

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(c)Alpine Momente